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Der Koloss von Prora

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Vieles gibt die Literatur dieser Welt ja her, um sich ungefähre Vorstellungen über den nationalsozialistischen Gigantismus herleiten zu können. Doch nur wenige dieser Gewaltbauten haben die Zeit bis heute überstanden. Wer den Flughafen Berlin-Tempelhof kennt, hat schon ein recht gutes Bild über den irrsinnigen Größenwahn der Nazis.
Aber was der Besucher im eher unscheinbaren Prora, einem Nachbarort von Binz, zu sehen bekommt, übertrifft mit Sicherheit dessen Erwartungen.
1936 wurde auf Befehl des Führers der Grundstein für das Kraft-durch-Freude-Projekt in Prora gelegt. Tausende Zwangsarbeiter sollten hier ein Urlaubsparadies für die Arbeiterfamilien des Dritten Reiches errichten. Die Erholung bzw. die Wiederherstellung der Arbeitskraft für 20.000 Menschen, strengstens zeitlich und hierarchisch organisiert, waren die Ziele der Erbauer. Auf einer Gesamtlänge von beachtlichen 4,5 Kilometern krümmt sich dieser Koloss den traumhaften Strand entlang. Ein nicht enden wollender Rhythmus aus effizienten, sich stets wiederholenden Architekturelementen erschlägt den Betrachter.
Nur Teile der Anlage im Süden konnten fertiggestellt und genutzt werden. Mit Kriegsausbruch war dann Schluss. Die Zwangsarbeiter wurden kriegsbedingten neuen Aufgaben zugeteilt. Nach dem Ende des Reiches ergriff die NVA Besitz von der Anlage. Die Jungs, die in Prora gedient haben, hatten kein einfaches Leben. Der schlechte Ruf war landesweit in der DDR bekannt. Die Rote Armee nutzte die Ruine ebenfalls für Übungszwecke.
Besonders traurig ist das Schicksal der Bausoldaten (im Prinzip Wehrdienstverweigerer). Sie mussten beim Aufbau des Fährhafens Saßnitz-Mukran helfen und verrichteten dort unter schrecklichen Umständen die schwierigsten Arbeiten, teilweise in Überdruckkammern zur Herstellung von Gründungsbauteilen.
Heute versuchen Investoren, der Anlage wieder neues Leben einzuhauchen. Inzwischen sind ein Hotel, Europas größte Jugendherberge (~450 Betten) und zahlreiche Eigentums- sowie Mietwohnungen fertiggestellt.
Aber das muss man mögen. Die Tristesse, die dieser Gigant ausstrahlt, lässt sich nicht "wegkosmetisieren", wie die Aufnahmen sicher unter Beweis stellen.

Viel Spaß beim Betrachten!
MZ

Bild 1: Modell der Gesamtanlage
Bild 2: Modellausschnitt der Zentralanlage
Bild 3: Meeresfront 1
Bild 4: Meeresfront 2
Bild 5: Seeseite des Kolosses
Bild 6: Aus alt wird neu
Bild 7: Eindeutige Pläne
Bild 8: historische Gebäuderückseite
Bild 9: Auferstandene Geschichte
Bild 10: Streitbare Architektur
Bild 11: NS-Tristesse
Bild 12: Innendetail Treppenhaus
Bild 13: KdF-Urlaubszimmer